5. Juni 2023 von sevenfacts
Künstliche Intelligenz und der Papst
Spektakuläre Fotos von Donald Trumps Verhaftung oder vom Papst in einer dicken Daunenjacke haben uns kürzlich vor Augen geführt, welche Fähigkeiten inzwischen bildverarbeitende KI-Programme erworben haben. ChatGPT ist dabei, Google als primäres Recherche-Tool zu ersetzen. Bei vielen Menschen lösen solche Demonstrationen aber auch Ängste aus: Wann ist künstliche Intelligenz in der Lage, meine Arbeit zu übernehmen? Verliere ich dann meinen Arbeitsplatz?
Wir neigen dazu, die Geschwindigkeit technischer Entwicklungen kurzfristig zu überschätzen, aber langfristig zu unterschätzen. Also kein Grund zur Panik, aber Anlass, die Entwicklung zu beobachten und darüber zu reflektieren.
Viele schlaue Köpfe melden sich mit Kommentaren und Warnungen zu Künstlicher Intelligenz zu Wort. Elon Musk fordert ein Entwicklungsmoratorium, die EU verabschiedet einen „AI Act“ in der Hoffnung, die Anwendung von KI regulieren zu können. Einig sind sich alle nur darin, dass Künstliche Intelligenz Chancen und Risiken birgt – was eigentlich auf jede Technologie zutrifft.
Das Risiko, dass unzählige Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, ist kurz- bis mittelfristig überschaubar. In Bereichen, in denen vor allem Kärrnerarbeit gefragt ist, werden sicher bald weniger Menschen eingestellt. In unserer Wissensgesellschaft führt die Vereinfachung der Sammlung von Informationen sicher zu deutlichen Produktivitätsschüben. Die Heerscharen von Analysten in Investmentbanken, Private Equity Häusern und Beratungsunternehmen werden sicher bald kleiner ausfallen. Sie werden dafür weniger Zeit mit der Suche nach Informationen verbringen, sondern mit deren Verarbeitung, Analyse und Bewertung. Ihre Arbeit wird daher interessanter und abwechslungsreicher.
Wenn die KI aber beim Sammeln von Informationen und Wissen überlegen ist und diese Quelle dank Internet überall verfügbar ist, lohnt sich dann überhaupt noch die Aneignung von Wissen? Macht Bildung dann überhaupt noch Sinn? Peter-Matthias Bieg und Christoph Mayer (WiWo 14/2023, S. 38) haben darauf hingewiesen, dass es eine Katastrophe wäre, wenn die KI das Ende unseres Lebens als Bildungsroman bedeuten würde.
Dem kann ich nur beipflichten, würde aber so konkretisieren: Soweit Bildung die Einübung von Methoden und die Ausbildung von Urteilsvermögen betrifft, ist sie im KI-Zeitalter notwendiger denn je, um die Ergebnisse Künstlicher Intelligenz Routinen auf Plausibilität zu prüfen.
Aber auch die reine Aneignung von Wissen wird nicht völlig überflüssig. Aber sie wird vielleicht mehr Teil eines Freizeitvergnügens. Menschen werden sich das Wissen aneignen, das sie wirklich interessiert und das aus ihrer Sicht zur Ausbildung ihrer Persönlichkeit beiträgt.
Hier hilft vielleicht der Vergleich mit körperlicher Arbeit und Sport. Seit wir uns der schweren körperlichen Arbeit und der Fortbewegung zu Fuß durch technische Hilfsmittel weitgehend entledigt haben, bewegen wir uns mehr zur Freude beim Sport. Der erste Marathonläufer der Geschichte rannte die 42,2 km, um sein Leben und das seiner Liebsten zu retten. Heute laufen jährlich zehntausende überall auf der Welt diese Strecke, um sich und ihren Freunden zu beweisen, dass sie das schaffen – und das ohne schwere Kampfausrüstung, sondern mit gewichtsoptimierten Schuhen.
Ebenso können wir es eines Tages mit Wissen halten: Wir lernen all das, was uns interessiert – das können wir uns ohnehin besser merken –, und das, was wir wissen wollen, um selbstgewählte Aufgaben zu erledigen.
Wer beim ersten Date die Angebetete bspw. mit Musik- oder Weinkenntnissen beeindrucken will, wird auch im KI-Zeitalter auf eigenes Wissen zurückgreifen müssen. Es ist eben wenig beeindruckend, wenn man erst ChatGPT fragen muss.
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