5. Juni 2023 von sevenfacts

Zumutung Demokratie

Die Diskussionen um das Verbrennerverbot und die Ergebnisse des Koalitionsausschusses Ende März haben mich an ein Interview von Gabor Steingart mit Prof. Sophie Schönberger erinnert. Der Titel: Zumutung Demokratie – nach dem gleichnamigen Essay von Prof. Schönberger.

Schönberger weist zu Recht darauf hin, dass Demokratie von der Vielfalt der Meinungen lebt. Wir müssen daher die abweichenden Meinungen anderer aushalten und trotzdem das Verbindende suchen. Unsere liberale Demokratie bietet uns allen ein großes Freiheitsversprechen, deshalb müssen wir aber auch die Freiheiten anderer aushalten. Demokratie ist keine One-Man-Show – jeder muss sich darin zurücknehmen, keiner ist der Nabel der Welt. Jeder ist gleich viel wert, die Interessen eines jeden sind gleich viel wert.

Was das mit dem Verbrennerverbot zu tun hat? In der Diskussion um die Ausnahme für eFuels wurde mit einer Verbitterung geführt als ginge es um Leben und Tod. Unversöhnlich standen die Anhänger eines vollständigen Verbots den Befürwortern einer technologieoffenen Lösung gegenüber. Technologieoffenheit wurde zum Synonym für Rückständigkeit erklärt, ob wohl die strittigen eFuels ein Zukunftsprodukt sind, von dem nicht klar ist, ob es überhaupt eine Zukunft hat. Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass batterieelektrische Autos derzeit abhängig vom Strommix weder klimaneutral noch wirklich effizient sind.

Es fiel auf beiden Seiten vielen erstaunlich schwer, das verbindende Element der individuellen Mobilität ohne Ausstoß von Treibhausgasen zu erkennen. Dass dies theoretisch auch mit eFuels erreicht werden kann, hat niemand bestritten. Die Diskussion drehte sich vor allem darum, ob eFuels jemals preislich wettbewerbsfähig sein können und daher eine Ausnahme verdienen oder nicht. Dabei ist die Logik doch ganz einfach: Entweder werden eFuels eines Tages preislich attraktiv, dann leisten sie einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs. Oder eFuels bleiben zu teuer, dann werden sie eine Randerscheinung bleiben und es braucht kein Verbot. Am wahrscheinlichsten ist es, dass bestimmte Nischen individueller Mobilität nicht elektrifiziert werden können und daher lieber auf eFuels zurückgreifen, auch bei höheren Kosten. Diese Nischen kann aber heute niemand kennen, weshalb ein ausnahmsloses Verbot wenig Sinn macht.

Was wir daraus lernen können? Gelassenheit und Toleranz. Wenn es ein gemeinsames Ziel wie die klimaneutrale individuelle Mobilität gibt, lässt sich auch eine Lösung finden, die das Ziel unter Berücksichtigung möglichst vieler Interessen erreicht.

Dazu müssen aber auch alle ihre Ziele und Interessen ehrlich offenlegen. Volker Wissing wurde unterstellt, er wolle eigentlich das Verbrennerverbot auf europäischer Ebene ganz kippen – das hat sich als unbegründet erwiesen. Umgekehrt bleibt der Eindruck, viele unbarmherzige Verfechter des ausnahmslosen Verbots wollten die individuelle Mobilität als solche verbieten. Diesen Vorwurf wird man den Verfechtern batterieelektrischer Autos zwar auch nicht machen können. Diese müssten ihre Energie allerdings darauf konzentrieren, den Ladestrom klimaneutral zu machen.

Und bei Licht betrachtet macht der gefundene Kompromiss durchaus Sinn. Ob wir in 12 Jahren alle batterieelektrische, mit eFuels betankte oder gar keine Autos mehr fahren, kann niemand ernsthaft vorhersagen. Aber alle Optionen zu haben, die klimaneutrale individuelle Mobilität ermöglichen, ist sicher das Beste.


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