Interview mit Werner Theiner


Mein German Mittelstand Freund Werner Theiner ist ein aufrechter Demokrat und lädt zur Landtagswahl verschiedene Kandidaten zum Interview ein. Ich durfte den Auftakt machen – das Resultat seht Ihr hier. Das besondere bei Werner ist die entspannte Atmosphäre. Da konnte ich etwas genauer erklären, warum ich mich in der Politik engagiere. Schaut mal rein!

Zum Elterngeld 2023


Dr. Michael Ruoff

Der Aufschrei war groß, als Familienministerin Lisa Paus die Senkung der Einkommensgrenze für den Bezug von Elterngeld auf ein Familieneinkommen von € 150.000 verkündete. Aber niemand stellte die Frage, ob das Elterngeld in den betroffenen Einkommensregionen wirklich die richtige Lösung ist, ob es Paaren wirklich die Entscheidung erleichtert, Eltern zu werden. Oder kurz: Würden wir das Elterngeld für diese Paare heute noch genauso einführen?

Das Elterngeld ist nicht primär Mittel der Umverteilung, sondern Lohnersatzleistung für die Zeit der Kinderbetreuung durch die Eltern, praktisch meist durch die Mütter. Ich bin selbst Vater und kenne die Realität der ersten Lebensmonate von Kindern und habe daher großen Respekt vor allen Eltern, egal welche Rollenaufteilung sie wählen. Dennoch sind Aussagen, das Elterngeld wäre eine Anerkennung der Gesellschaft, würde die Frauen aus der Abhängigkeit des Ehemannes befreien oder wäre eine Rückzahlung auf die vielen Steuern und Abgaben der Vorjahre, nicht nachvollziehbar. Wir sollten Kinder um ihrer selbst willen bekommen, nicht für die Gesellschaft, Paarbeziehungen bestehen aus vielen Abhängigkeiten und € 1.800 können das nicht ändern oder aufwiegen – die Kaufkraft dieses Betrags ist heute ohnehin rund 23% geringer als 2007. Schließlich: Der Sozialstaat sollte die Bedürftigen schützen und den Bürgerinnen und Bürgern nicht das Geld aus der linken Tasche ziehen, um es in die rechte zu stecken. Genau letzteres passiert aber beim Elterngeld für Paare mit einem zu versteuernden Jahreseinkommen von über € 150.000.

Auch unter finanziellen Aspekten setzt das Elterngeld falsche Anreize. Nach Untersuchungen der Universität Tübingen sinkt das Lebenseinkommen von Frauen, die 12 Monate Elternzeit nehmen, um 40%, mutmaßlich weil sie nach der Elternzeit nicht die gleichen Karrierechancen haben wie Frauen ohne Kinder oder wie Frauen, die weniger als 12 Monate pausieren. Wenn Mütter nach der Elternzeit noch rund 30 Jahre Arbeitsleben vor sich haben, kommt da einiges zusammen an Einkommen und daraus resultierendem Steueraufkommen. Bei Familien mit gut sechsstelligem Jahreseinkommen geht es um die am besten ausgebildeten Frauen und Männer unseres Landes. In Zeiten von Fachkräftemangel diesen Eltern den Anreiz zu geben, eine Entscheidung zu treffen, die finanziell für sie selbst und für die Allgemeinheit nachteilig ist, ist wenig sinnvoll. Die Situation ist vielmehr widersprüchlich: Wir beeinträchtigen die Karriere- und Verdienstchancen gut ausgebildeter Frauen, deren Hochschulstudium meist der Staat finanziert hat. Da über 60% der Hochschulabsolventen Frauen sind, wird der wirtschaftliche Verlust daraus immer größer.

Die Aufteilung des Elterngeldes mit den sog. „Vätermonaten“ (die im Einzelfall auch Müttermonate sein können) mag 2007 sinnvoll gewesen sein, um die Akzeptanz des Einsatzes von Vätern für die Care-Arbeit zu fördern. Heute ist dieses Anliegen weniger dringend. Denn immerhin oder nur rund 50% der Väter nehmen Elternzeit. Ob sie sich in den Monaten der Elternzeit wirklich der Kinderbetreuung verschreiben und ihrer Partnerin beruflich den Rücken freihalten, ist offenbar kaum untersucht. Die anekdotische Evidenz lässt daran zweifeln.

Die öffentliche Debatte hat nun die Abschaffung des Ehegattensplittings als alternative Gegenfinanzierung entdeckt. Dazu nur so viel: Bei Paaren im relevanten Einkommensbereich haben meist beide Ehegatten Jahreseinkommen über € 80.000. Das Ehegattensplitting wirkt bei ihnen also gar nicht begünstigend – mit einer Ausnahme: In Jahren der Elternzeit. Dass die Abschaffung der Steuerklasse V der Gleichstellung helfen würde, ist unbestritten, aber gehört in eine andere Debatte.

Zur Lösung: Wie haben Frauen, die zu ihrem vollen Einkommenspotenzial zurückgekommen sind, ihren beruflichen Wiedereinstieg gemeistert? Die haben meist äußerst kurz pausiert und eine private Kinderbetreuung organisiert, weil es in Deutschland keine qualifizierte Kinderbetreuung für Kinder im ersten Lebensjahr gibt. Hier gibt es nicht mal ein Berufsbild dafür. In anderen Ländern, bspw. Australien, ist hierfür ein Bachelor-Abschluss vorgesehen, damit eine hochwertige frühkindliche Bildung garantiert wird. Aber auch nach dem ersten Geburtstag des Kindes greifen diese Familien meist auf teure private Betreuungsangebote oder Fachkräfte zurück, da diese mit der erforderlichen Flexibilität, die das Berufsleben erfolgreicher Akademikerinnen erfordert, und mit dem persönlichen Bildungsanspruch besser zu vereinbaren sind.

Die Kosten dafür zahlen diese Paare bisher größtenteils aus dem Nettogehalt, weil die steuerliche Geltendmachung auf zwei Drittel der Kosten begrenzt und auf jährlich € 4.000 pro Kind gedeckelt ist.

Wenn wir gut verdienenden Elternpaaren ohne Elterngeld wirklich helfen wollen, müssten wir genau dort ansetzen: Kinderbetreuungskosten sollten in voller Höhe von der Steuer als Werbungskosten absetzbar sein. Sofern man hierfür überhaupt eine Obergrenze ziehen möchte, dann bei dem Jahresgehalt einer gut ausgebildeten Pflege- oder Erziehungskraft. So können diese Elternpaare nach 3, 4 oder 5 Monaten wieder in den Beruf zurückkehren, ihr Lebenspotenzialeinkommen besser ausschöpfen – und wir würden in absehbarer Zeit auch mehr Frauen in Führungspositionen sehen. Zusätzlich sollten wir für die Ausbildung der Betreuungspersonen für Kleinkinder ein Bachelor-Studium vorsehen und den Eltern volle Wahlfreiheit der Betreuungsform gewähren.

Flankierend sollten private Kinderbetreuungseinrichtungen ebenso gefördert werden wie öffentliche, unabhängig von der Gewinnorientierung und den Zuzahlungen der Eltern. Sinnvoll wäre auch der Vorschlag der VdU-Präsidentin Jasmin Arbabian-Vogel, dass Elterngeld nur noch für Zeiten ausgezahlt werden soll, in denen die Eltern paritätisch Elternzeit nehmen.

Noch mehr Zumutungen der Demokratie


Als ich Ende März den Blog-Beitrag „Zumutung Demokratie“ schrieb, konnte ich nicht ahnen, dass meine Kritik an der Unversöhnlichkeit unserer Debatten rund drei Monate später noch an Aktualität gewinnen würde, nämlich durch die erste Wahl eines AfD-Kandidaten zum Landrat in Deutschland.

Einen Zusammenhang sehe ich nicht nur darin, dass dieser Wahlausgang für die allermeisten Bürger unseres Landes und fast die Hälfte der Wähler des betroffenen Landkreises eine ziemliche Zumutung ist. Ich finde, dass die verbreitete Unfähigkeit, mit den regulären Zumutungen unserer Demokratie umzugehen, genau diese Wahl noch befeuert hat.

Es besorgt mich, dass wir in Deutschland eine ähnliche polare Entwicklung nehmen wie die USA und andere westliche Demokratien, mit der sich die Bürgerinnen und Bürger gegenseitig in „gut“ und „böse“ einteilen. Selbstverständlich sieht sich jeder selbst auf der guten Seite. Zugleich werden alle, die mehr als nur kosmetische Kritik üben, auf der bösen Seite eingeordnet. Stempel wie „rechts“, „linksgrün“, „lifestyle-links“, „sozialistisch“ oder „neoliberal“ sollen Debatten abkürzen oder gleich beenden, indem man sich die Mühe erspart, in der Sache zu diskutieren und die Wünsche und Bedürfnisse anderer ernst zu nehmen.

Während Parteien des linken Spektrums, allen voran die Grünen, mit einem selten erlebten Selbst- und Sendungsbewusstsein ihre Agenda verfolgen, pflegen Parteien aus dem rechten Bereich teils abstruse Unterstellungen, von denen der Vorwurf des „Volksaustauschs“ noch nicht einmal den Höhepunkt bildet.

Das Denken in Schubladen erschwert es nicht nur, das Verbindende zu suchen, sondern erweist sich schnell als zu grob. Es ist eben ein Unterschied, ob sich eine Politikerin für Klimaschutz einsetzt, weil sie eigentlich den Kulturkampf gegen das Auto befeuern möchte, oder ob sich jemand für die Reduzierung von Klimagasen ausspricht, um die Erderwärmung zu bremsen und zugleich zu zeigen, dass eine Volkswirtschaft auch dekarbonisiert erfolgreich sein kann. Gleichsam können Vorbehalte gegen Zuwanderung einerseits aus (abzulehnendem) völkischen Denken entspringen, andererseits auch aus der ernst zu nehmenden Sorge, dass allzu viele Menschen mit Migrationshintergrund in einer Flüchtlingsunterkunft schwer in die örtliche Gemeinschaft zu integrieren sind, vor allem, wenn sie keiner geregelten Arbeit nachgehen dürfen.

Je weniger unsere Demokratie mit diesen Schattierungen umgehen kann, desto stärker treibt es Abweichler von der vorherrschenden Sicht auf ein Thema zu extremen Parteien. Der völlig überzogene und von logischen Fehlern durchzogene erste Entwurf des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) musste selbst bei vielen, die den Klimawandel nicht in Frage stellen, den Eindruck erwecken, es ginge den Verfassern vor allem um die Zumutungen für die Bevölkerung. Dass die Verfasser wochenlange Abwehrdiskussionen führten statt die eigenen Irrtümer zu korrigieren, hat diesen Eindruck nur bestärkt.

Wir mögen es zwar, wenn Politiker leidenschaftlich argumentieren. Aber gerade in der Covid-Pandemie haben wir doch gelernt, dass Wissen teils sehr kurze Halbwertszeiten hat und dass sich scheinbare Gewissheiten schnell als Irrtum erweisen. Etwas weniger Kompromisslosigkeit und etwas mehr daran zu denken, dass man sich eben auch irren kann, täten unseren Debatten daher sehr gut.

Künstliche Intelligenz und der Papst


Spektakuläre Fotos von Donald Trumps Verhaftung oder vom Papst in einer dicken Daunenjacke haben uns kürzlich vor Augen geführt, welche Fähigkeiten inzwischen bildverarbeitende KI-Programme erworben haben. ChatGPT ist dabei, Google als primäres Recherche-Tool zu ersetzen. Bei vielen Menschen lösen solche Demonstrationen aber auch Ängste aus: Wann ist künstliche Intelligenz in der Lage, meine Arbeit zu übernehmen? Verliere ich dann meinen Arbeitsplatz?

Wir neigen dazu, die Geschwindigkeit technischer Entwicklungen kurzfristig zu überschätzen, aber langfristig zu unterschätzen. Also kein Grund zur Panik, aber Anlass, die Entwicklung zu beobachten und darüber zu reflektieren.

Viele schlaue Köpfe melden sich mit Kommentaren und Warnungen zu Künstlicher Intelligenz zu Wort. Elon Musk fordert ein Entwicklungsmoratorium, die EU verabschiedet einen „AI Act“ in der Hoffnung, die Anwendung von KI regulieren zu können. Einig sind sich alle nur darin, dass Künstliche Intelligenz Chancen und Risiken birgt – was eigentlich auf jede Technologie zutrifft.

Das Risiko, dass unzählige Menschen ihren Arbeitsplatz verlieren, ist kurz- bis mittelfristig überschaubar. In Bereichen, in denen vor allem Kärrnerarbeit gefragt ist, werden sicher bald weniger Menschen eingestellt. In unserer Wissensgesellschaft führt die Vereinfachung der Sammlung von Informationen sicher zu deutlichen Produktivitätsschüben. Die Heerscharen von Analysten in Investmentbanken, Private Equity Häusern und Beratungsunternehmen werden sicher bald kleiner ausfallen. Sie werden dafür weniger Zeit mit der Suche nach Informationen verbringen, sondern mit deren Verarbeitung, Analyse und Bewertung. Ihre Arbeit wird daher interessanter und abwechslungsreicher.

Wenn die KI aber beim Sammeln von Informationen und Wissen überlegen ist und diese Quelle dank Internet überall verfügbar ist, lohnt sich dann überhaupt noch die Aneignung von Wissen? Macht Bildung dann überhaupt noch Sinn? Peter-Matthias Bieg und Christoph Mayer (WiWo 14/2023, S. 38) haben darauf hingewiesen, dass es eine Katastrophe wäre, wenn die KI das Ende unseres Lebens als Bildungsroman bedeuten würde.

Dem kann ich nur beipflichten, würde aber so konkretisieren: Soweit Bildung die Einübung von Methoden und die Ausbildung von Urteilsvermögen betrifft, ist sie im KI-Zeitalter notwendiger denn je, um die Ergebnisse Künstlicher Intelligenz Routinen auf Plausibilität zu prüfen.

Aber auch die reine Aneignung von Wissen wird nicht völlig überflüssig. Aber sie wird vielleicht mehr Teil eines Freizeitvergnügens. Menschen werden sich das Wissen aneignen, das sie wirklich interessiert und das aus ihrer Sicht zur Ausbildung ihrer Persönlichkeit beiträgt.

Hier hilft vielleicht der Vergleich mit körperlicher Arbeit und Sport. Seit wir uns der schweren körperlichen Arbeit und der Fortbewegung zu Fuß durch technische Hilfsmittel weitgehend entledigt haben, bewegen wir uns mehr zur Freude beim Sport. Der erste Marathonläufer der Geschichte rannte die 42,2 km, um sein Leben und das seiner Liebsten zu retten. Heute laufen jährlich zehntausende überall auf der Welt diese Strecke, um sich und ihren Freunden zu beweisen, dass sie das schaffen – und das ohne schwere Kampfausrüstung, sondern mit gewichtsoptimierten Schuhen.

Ebenso können wir es eines Tages mit Wissen halten: Wir lernen all das, was uns interessiert – das können wir uns ohnehin besser merken –, und das, was wir wissen wollen, um selbstgewählte Aufgaben zu erledigen.

Wer beim ersten Date die Angebetete bspw. mit Musik- oder Weinkenntnissen beeindrucken will, wird auch im KI-Zeitalter auf eigenes Wissen zurückgreifen müssen. Es ist eben wenig beeindruckend, wenn man erst ChatGPT fragen muss.

Zumutung Demokratie


Die Diskussionen um das Verbrennerverbot und die Ergebnisse des Koalitionsausschusses Ende März haben mich an ein Interview von Gabor Steingart mit Prof. Sophie Schönberger erinnert. Der Titel: Zumutung Demokratie – nach dem gleichnamigen Essay von Prof. Schönberger.

Schönberger weist zu Recht darauf hin, dass Demokratie von der Vielfalt der Meinungen lebt. Wir müssen daher die abweichenden Meinungen anderer aushalten und trotzdem das Verbindende suchen. Unsere liberale Demokratie bietet uns allen ein großes Freiheitsversprechen, deshalb müssen wir aber auch die Freiheiten anderer aushalten. Demokratie ist keine One-Man-Show – jeder muss sich darin zurücknehmen, keiner ist der Nabel der Welt. Jeder ist gleich viel wert, die Interessen eines jeden sind gleich viel wert.

Was das mit dem Verbrennerverbot zu tun hat? In der Diskussion um die Ausnahme für eFuels wurde mit einer Verbitterung geführt als ginge es um Leben und Tod. Unversöhnlich standen die Anhänger eines vollständigen Verbots den Befürwortern einer technologieoffenen Lösung gegenüber. Technologieoffenheit wurde zum Synonym für Rückständigkeit erklärt, ob wohl die strittigen eFuels ein Zukunftsprodukt sind, von dem nicht klar ist, ob es überhaupt eine Zukunft hat. Dabei geriet fast in Vergessenheit, dass batterieelektrische Autos derzeit abhängig vom Strommix weder klimaneutral noch wirklich effizient sind.

Es fiel auf beiden Seiten vielen erstaunlich schwer, das verbindende Element der individuellen Mobilität ohne Ausstoß von Treibhausgasen zu erkennen. Dass dies theoretisch auch mit eFuels erreicht werden kann, hat niemand bestritten. Die Diskussion drehte sich vor allem darum, ob eFuels jemals preislich wettbewerbsfähig sein können und daher eine Ausnahme verdienen oder nicht. Dabei ist die Logik doch ganz einfach: Entweder werden eFuels eines Tages preislich attraktiv, dann leisten sie einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs. Oder eFuels bleiben zu teuer, dann werden sie eine Randerscheinung bleiben und es braucht kein Verbot. Am wahrscheinlichsten ist es, dass bestimmte Nischen individueller Mobilität nicht elektrifiziert werden können und daher lieber auf eFuels zurückgreifen, auch bei höheren Kosten. Diese Nischen kann aber heute niemand kennen, weshalb ein ausnahmsloses Verbot wenig Sinn macht.

Was wir daraus lernen können? Gelassenheit und Toleranz. Wenn es ein gemeinsames Ziel wie die klimaneutrale individuelle Mobilität gibt, lässt sich auch eine Lösung finden, die das Ziel unter Berücksichtigung möglichst vieler Interessen erreicht.

Dazu müssen aber auch alle ihre Ziele und Interessen ehrlich offenlegen. Volker Wissing wurde unterstellt, er wolle eigentlich das Verbrennerverbot auf europäischer Ebene ganz kippen – das hat sich als unbegründet erwiesen. Umgekehrt bleibt der Eindruck, viele unbarmherzige Verfechter des ausnahmslosen Verbots wollten die individuelle Mobilität als solche verbieten. Diesen Vorwurf wird man den Verfechtern batterieelektrischer Autos zwar auch nicht machen können. Diese müssten ihre Energie allerdings darauf konzentrieren, den Ladestrom klimaneutral zu machen.

Und bei Licht betrachtet macht der gefundene Kompromiss durchaus Sinn. Ob wir in 12 Jahren alle batterieelektrische, mit eFuels betankte oder gar keine Autos mehr fahren, kann niemand ernsthaft vorhersagen. Aber alle Optionen zu haben, die klimaneutrale individuelle Mobilität ermöglichen, ist sicher das Beste.

München braucht die Hochhäuser


Eines der drängendsten Probleme in München ist es ausreichend Wohnraum zu schaffen. Gleichzeitig möchte man aus Umwelt- und Klimaschutzgründen den Flächenverbrauch reduzieren. Wie kann mehr Wohnraum entstehen, wenn gleichzeitig nicht mehr Fläche in der Breite verbraucht werden soll? Einfach: Man muss in die Höhe bauen. Das gilt zunächst für die Nachverdichtung bspw. durch Dachgeschossausbau.

Das gilt aber auch für „echte“ Hochhäuser als Hochpunkte. Gemeint sind damit nicht Hochhäuser nach der Bayerischen Bauordnung, sondern vielmehr Hochhäuser, die die Frauenkirche mit ihren 100 Meter hohen Türmen überragen – aktuell bspw. die geplanten 155 Meter hohen Türme an der Paketposthalle, die jetzt in München im Zentrum der Debatte um Hochhäuser stehen.

In Wohnungsmärkten wie München gilt: Sozial ist, was Wohnungen schafft. Gerade in solchen angespannten Märkten ist auch ökonomisch Raum für Hochhäuser. Kosteneffizienter wäre es im Regelfall, mehrere kleinere Gebäude zu bauen als ein Großes. Das führt aber genau zu dem Flächenverbrauch, den wir reduzieren möchten. Daneben gilt in München die Soziale Bodennutzung (SoBoN) der Stadt, die die Schaffung von bezahlbaren Wohnungen bei Planungsvorhaben sicherstellt. Eine faire Bewertung von Hochhäusern darf daher nicht nur die teure Penthouse-Wohnung ganz oben betrachten, sondern den gesamten Mix aus Wohn- und anderen Flächen.

In München hält die Wohnraumschaffung nicht Schritt mit der Nachfrage nach Wohnraum. Unser Ziel muss es daher sein, insgesamt mehr Wohnflächen zu schaffen. Wie sich dieser Wohnraum zwischen Hochhäusern und anderen Wohnhäusern verteilt, ist dabei zweitrangig.

Klimaneutrales oder -freundliches Bauen ist auch mit Hochhäusern möglich. Man denke z.B. an die „Bosco Verticale“ Türme in Mailand (dt.: vertikaler Wald). Diese Hochhäuser sind 80 und 110 Meter hoch. Auf den Terrassen und Balkonen der Türme wurden etwa 900 Bäume gepflanzt.
Gerade die Holzbauweise kann ein wichtiger Schlüssel für nachhaltiges Bauen sein – auch bei Hochhäusern. Mit dem „Roots“ wird in Hamburg 2023 ein 65 Meter hohes Hochhaus in Holzbauweise eröffnet – es ist dann das höchste Holzhaus in Deutschland. Auch Recyclingbeton und kombinierte Holz-Beton-Elementen verbessern die Öko-Bilanz beim Hochhausbau.

Es gibt Hochhäuser mit modernen Designs, die mehr sind als hohe Glaskästen und die ein Stadtbild positiv bereichern können. Hochhäuser können damit das vertikale Stadtbild ästhetisch verbessern und spannender machen als eine „langweilige“ Einheitshöhe.

Für das Stadtbild können doch gerade dadurch neue spannende Beziehungen entstehen, wenn im Hintergrund moderne Wolkenkratzer zu sehen sind. Für uns stehen München und Bayern eben auch für die Verbindung aus Tradition und Moderne, das Alte bewahren und gleichzeitig etwas Neues schaffen. Biergarten und Wolkenkratzer.

Das künftige Stadtbild muss sich an den Bedürfnissen der Stadt in der Zukunft orientieren, nicht an Gebäuden der Vergangenheit. Es ist Aufgabe des Stadtrats, hier die richtigen planerischen Entscheidungen zu treffen, über einen Hochhaus-Rahmenplan die relevanten Projekte zu steuern.

Hochhäuser sind auch Sinnbild für die Lösung moderner urbaner Probleme, indem sie Fläche für urbanes Leben, Bewegung und Erholung lassen. Wir müssen in die Höhe bauen, um mehr Wohnraum zu schaffen und gleichzeitig die Flächenverbrauchsziele einzuhalten. Hochhausbau ist sowohl ökologisch wie auch sozialverträglich möglich. Daher sind wir Freie Demokraten ganz klar Pro Hochhaus – auch und gerade in München.

Dr. Michael Ruoff ist Stadtvorsitzender der FDP München, Rechtsanwalt und Unternehmer. Er investiert in innovative Startups und sieht in Hochhäusern einen Baustein zur Lösung urbaner Probleme wie Wohnraummangel und Grünflächenversiegelung.

Felix Meyer ist stellv. Stadtvorsitzender der FDP München und Mitglied des BA 9 Neuhausen-Nymphenburg sowie Ortsvorsitzender der FDP Neuhausen-Nymphenburg/Laim. Er ist daher insbesondere mit dem Projekt der Hochhäuser „vor Ort“ an der Paketposthalle vertraut.